Weniger Markensekt: Wie Schloss Wachenheim die Inflation bewältigt

2023-01-05 15:36:58 By : Ms. Sally xie

Trier Ob Ukraine-Krieg oder massive Inflation: Die Deutschen lassen sich das Feiern zu den Festtagen nicht vermiesen. Doch die Bundesbürger schauen aufs Geld und greifen zu weniger edlen Produkten. Für Schloss Wachenheim aus Trier als Deutschlands Sekt-Hersteller Nummer drei nicht unbedingt ein Grund zum Trübsalblasen.

Prost Neujahr! Wer am Silvesterabend auf das Glück im neuen Jahr anstößt, lässt sich diesen frommen Wunsch mit einem prickelnden Kaltgetränk meist etwas kosten. Man gönnt sich ja sonst nichts! Doch in diesem Jahr sind die deutschen Verbraucher knausriger als in den beiden Corona-Jahren und sparen selbst beim Sekt zu den Feiertagen. „Wir haben bis zu 20 Prozent an Absatzmenge bei den Markenprodukten verloren“, sagt Oliver Gloden, Vorstandssprecher der Schloss Wachenheim AG. „Wir merken deutlich, dass dort, wo sensible Preisgrenzen überschritten werden, die Kunden zurückhaltender geworden sind.

Allerdings steigt im gleichen Umfang die Nachfrage und der Absatz bei den Handelsmarken.“ Gloden kann das sogar am Preis festmachen: Während der Absatz von Sekt- und Schaumweinen in den Kategorien von fünf Euro und mehr merklich zurückgeht, steigt er im Billigsegment zwischen zwei und vier Euro die Flasche bei Aldi und Lidl. „Der Discount gewinnt“, weiß der Vorstandssprecher. 

Dabei machen die letzten beiden Monate des Jahres im Sektgeschäft die umsatzstärkste Zeit aus. Nach einer neuesten Untersuchung durch die Hochschule Geisenheim und den Verband Deutscher Sektkellereien sind die Deutschen sogar „Sekttrinkweltmeister“ mit 3,2 Litern pro Jahr. Das toppt sogar den Konsum der Weintrinker. Denn ob Weihnachten, Geburtstag oder einfach nur ein Treffen mit Freunden – in Deutschland ploppt die Sektflasche häufiger auf als sonst auf der Welt. Dabei ist für die meisten Deutschen der Geschmack primär ausschlaggebend für den Kauf einer Sektflasche, danach folgt ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis.

Für Schloss Wachenheim ist die Kaufzurückhaltung der Kunden als Nummer drei in Deutschland besser verkraftbar als für die Konkurrenten Rotkäppchen-Mumm und Henkell-Söhnlein. Denn das Trierer Unternehmen besetzt den deutschen Markt zu 60 Prozent mit eigenen Marken wie Faber, Feist und Schloss Wachenheim, 40 Prozent der verkauften Flaschen sind Handelsmarken der großen Discounter. So kann Schloss Wachenheim zumindest mengenmäßig die Verluste im Markenbereich derzeit auffangen. „Wir können dem Handel mit den Eigenmarken Alternativen bieten. Für unsere rund 210 Beschäftigten, die Auslastung und Produktion ist das gut, aber die Margen sind in diesem Bereich damit viel kleiner. Wir werden etwa im Februar sehen können, ob die Mengengewinne im Discount-Bereich die Umsatzverluste im Markenbereich ausgleichen konnten“, sagt Oliver Gloden. 

Denn gleichzeitig ächzt die Branche unter massiven Preissteigerungen. Ob beim Metall der Sektflaschenkapseln, dem Aluminium der Hülle, dem Etikett, den Kunststoffverschlüssen oder dem Glas: „Wir haben Kostensteigerungen teilweise von bis zu 100 Prozent“, weiß der Schloss-Wachenheim-Chef, weshalb er die Corona-Hürden im Vergleich zu den aktuellen Herausforderungen als gering bezeichnet.

Beispiel Glas: Insgesamt vier ukrainische Glaswerke haben die europäische Getränkeindustrie mit rund 800 Millionen Flaschen im Jahr versorgt. Eines davon ist im Krieg zerstört worden, die anderen drei in den Ruhezustand versetzt. Folglich wird es auch im kommenden Jahr Glasengpässe geben. „Wir haben unseren Glasvorrat erhöht und das Lager in Konz mit 23.000 Quadratmetern mit sieben Millionen Flaschen aufgefüllt. Doch der Vorrat reicht nur für drei bis vier Wochen“, macht Gloden deutlich. Bei der Kohlensäure, deren Preis sich um 300 Prozent erhöht hat, haben die Trierer sogar ein neues Verfahren eingesetzt, um den Stickstoff aus der Umgebungsluft statt der Kohlensäure einzusetzen.

Und dennoch kann der Getränkehersteller die gestiegenen Preise für Energie und Einsatzprodukte nicht im Unternehmen kompensieren. Preissteigerungen sind die Folge. Ein krasses Beispiel ist hier der alkoholfreie Sekt Light Live. Der kostet nach mehreren Preisrunden inzwischen statt 2,99 Euro die Flasche 3,49 Euro – ein Plus von 17 Prozent. „Daran haben wir nicht mal was verdient, sondern das sind die reinen Kostensteigerungen für uns, da die Margen in dem Bereich so gering sind“, sagt der Sprecher. Und der Lebensmitteleinzelhandel kalkuliert hart, versucht mit Angebotspreisen die Hersteller zu unterbieten. Mit der Folge, dass sich Schloss Wachenheim und Kaufland getrennt haben, die Produkte der Trierer sind inzwischen in den Märkten ausgelistet. Das sind immerhin mehrere Millionen Flaschen im Jahr, die anderweitig kompensiert werden müssen. „Wir müssen bei den Preisen konsequent bleiben, um uns nicht selbst kaputt zu machen“, stellt der Vorstandssprecher klar.

Wachstumspotenzial sieht das Unternehmen derzeit vor allem im alkoholfreien Sekt- und Weinmarkt. Schon heute ist Light Live von Schloss Wachenheim mit 37 Prozent Marktanteil der Marktführer. Folglich haben die Trierer Pioniere auf dem Markt schon vor gut 30 Jahren den richtigen Geschmack getroffen, als erstmals ein Sekt null Promille versprochen hat. In Trier werden inzwischen mehr als zehn Millionen Liter Wein in der Vakuumdestillationsanlage entalkoholisiert und dann zu Sekt und anderen Getränken verarbeitet. Und auch die neue Studie im Auftrag des Verbands Deutscher Sektkellereien, belegt, dass bereits 44 Prozent der Deutschen einmal alkoholfreien Sekt probiert haben.  „Nicht nur deutschlandweit, sondern auch im Ausland ist der Trend zu alkoholfreien Getränken stark im Kommen, vor allem in den Niederlanden und in Großbritannien“, sagt Gloden, der dem Markt noch großes Potenzial zuschreibt. Dennoch sei und bleibe „Sekt unsere DNA“.

Und so ist er auch optimistisch, dass Deutschland als Sektweltmeister auch die aktuelle Krise meistert: „Wir haben uns in den vergangenen Jahren immer gut geschlagen. Und wir denken positiv. Die Branche ist krisenfest – diesmal sicher auch.“